Frauen in der Kommunalpolitik: Noch ein langer Weg zur Chancengleichheit!

In der letzten Ausgabe des Blickpunkts kritisierte der Landtagsabgeordnete unseres Wahlkreises, Thomas Uhlen (CDU), die Diskussion um einen arbeitsfreien Weltfrauentag. Für ihn ist Gleichstellung vor allem eine Frage „echter Chancen“ – nicht von Symbolpolitik. Doch dieses Argument ignoriert, wie sehr reale Chancen bis heute strukturell ungleich verteilt sind. Es wirkt wie ein Versuch, die Verantwortung für Gleichstellung zu verschieben, weg von Politik und Gesellschaſt, hin zum Individuum.

Unser Bissendorfer Gemeinderat besteht aus 30 Mitgliedern. Nur 8 davon sind Frauen – das entspricht einem Anteil von knapp 27 Prozent, obwohl Frauen mehr als die Hälſte unserer Bevölkerung ausmachen. Dieses Missverhältnis ist kein Einzelfall, sondern ein weit verbreitetes Phänomen. Es zeigt: Auch Bissendorf bleibt von der gesellschaſtlichen Benachteiligung von Frauen nicht verschont.

Studien zufolge wenden Frauen immer noch täglich 44,3% mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit (sogenannte Care-Arbeit) auf als Männer – das sind täglich etwa 79 Minuten zusätzlich. Care-Arbeit umfasst Aufgaben wie Hausarbeit, Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen. Die Zeit, die dafür aufgewendet wird, fehlt dann für politisches oder ehrenamtliches Engagement. Kein Wunder also, dass Frauen besonders in der Kommunalpolitik deutlich unterrepräsentiert sind.

Doch dabei bleibt es nicht: Weitere Studien, beispielsweise von der Heinrich-Böll-Stiſtung, lassen erkennen, dass Frauen im politischen Alltag außerdem noch häufiger als Männer von Anfeindungen und Gewalt betroffen sind – ob auf der Straße oder im Internet. Diese zusätzlichen Hürden führen dazu, dass sich viele Frauen aus der Kommunalpolitik zurückziehen oder erst gar nicht den Weg dorthin finden.

Und all das passiert in einer Zeit, in der rechtsextreme Ansichten wieder an Zustimmung gewinnen. Rechtspopulistische und rechtsextreme Kräſte greifen gezielt Gleichstellungspolitik an, verhöhnen Diversität als „Genderwahn“ und verbreiten antifeministische Narrative. Einschüchterung und um die Stimmen von politisch engagierten Frauen zum Verstummen zu bringen. Das rückwärtsgewandte Frauenbild dieser Bewegungen – die „meinungslose Hausfrau“, die dem Willen des Mannes untergeordnet ist – steht im klaren Widerspruch zu einer offenen, gleichberechtigten Gesellschaſt. Wer Gleichstellung verteidigt, verteidigt deshalb auch die demokratische Kultur, Vielfalt und Freiheit in unseren Kommunen, Landes- und Bundesparlamenten.

Wenn konservative Stimmen wie die von Thomas Uhlen als Vertreter der CDU den Weltfrauentag als „Symbolpolitik“ abtun, verkennen sie, wie wichtig sichtbare Zeichen für gesellschaſtlichen Wandel sind. Solche Pauschalkritik dient oſt weniger der Lösung, sondern eher der Entwertung feministischer Anliegen. Doch solange strukturelle Benachteiligungen wie die zuvor genannten fortbestehen, braucht es sichtbare Zeichen – und sichtbare Debatten. Ein arbeitsfreier Weltfrauentag ist deshalb nicht bloß ein Symbol, sondern eine Erinnerung daran, dass Gleichberechtigung noch längst nicht erreicht ist, auch nicht bei uns in Bissendorf.

Damit es nicht bei Zeichen bleibt, braucht es aber noch weitere konkrete Verände
rungen, beispielsweise mehr Sichtbarkeit für weibliche Vorbilder, Fort- und Weiterbildung und gezielte Förderung von Kandidatinnen – in allen Parteien. Nur so entstehen echte Chancen.

Johanna Glüsenkamp, Ratsmitglied