Ratsfraktion Die Grünen reicht Fachaufsichtbeschwerde gegen den Landkreis Osnabrück ein
Die Ratsfraktion Bündnis90/Die Grünen im Bissendorfer Gemeinderat lässt die Entscheidung des Landkreises Osnabrück im Fall "Natbergen" fachlich überprüfen. Eine Fachaufsichtsbeschwerde beim Ministerium soll klären, ob die Zustimmung des Landkreises Osnabrück zu den Gewerbe- und Industrieplänen Bissendorfs fachgerecht erfolgt ist. Der Antrag zählt einige Hinweise auf, dass dies nicht erfolgte, insbesondere sei die Abwägung von "berührten" oder "fachlich betroffenen" Stellen nicht nachvollziehbar und damit das gesamte Verfahren unrechtmäßig.
Henning J. Bahr Rechtsanwalt
Seminarstr. 13/14
49074 Osnabrück
Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft
Verbraucherschutz und Landesentwicklung
Calenberger Str. 2
30169 Hannover
Regionales Raumordnungsprogramm im Landkreis Osnabrück
Zielabweichungsbescheid gem. § 11 NROG
Fachaufsichtliche Überprüfung
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit zeige ich an, dass ich durch die Fraktion "Bündnis90/Die Grünen" im Rat der Gemeinde Bissendorf mit der Vertretung der Interessen beauftragt worden bin. Die ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichere ich anwaltlich.
Anlass meiner Beauftragung ist der beigefügte Zielabweichungsbescheid gem. § 11 NROG des Landkreises Osnabrück. Gegenstand dieses Bescheides ist die Zulassung von Abweichungen von den Zielen der Raumplanung gem. § 11 NROG für die Gemeinde Bissendorf im Rahmen der 29. Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde Bissendorf.
Gegen diesen erhebe ich im Auftrage meiner Mandantschaft
fachaufsichtliche Beschwerde
Im Regionalen Raumordnungsprogramm für den Landkreis Osnabrück ist im Gemeindegebiet der Gemeinde Bissendorf ein Vorranggebiet für Freiraumfunktionen ausgewiesen. Innerhalb dieses Vorranggebietes beabsichtigt die Gemeinde Bissendorf im Rahmen der 29. Änderung des Flächennutzungsplans gewerbliche Bauflächen darzustellen. Diese sollten ca. 40 ha Fläche umfassen. Der Bereich soll teilweise als Industriegebiet, überwiegend als Gewerbegebiet genutzt werden. Die Gemeinde Bissendorf ist der Auffassung, es bestünde ein Erfordernis, neue Gewerbegebiete ausweisen.
1.
Der regionale Raumordnungsplan für den Landkreis Osnabrück von 2004 legt hingegen in diesem Bereich ein Vorranggebiet für Freiraumfunktionen fest. Es sollen in und zwischen dicht besiedelten und stark beanspruchten Gebieten Freiräume festgeschrieben seien. Der Raumordnungsplan sieht vor, dass nur für den Ordnungsraum notwendige und siedlungsnahe Anlagen und Einrichtungen dort vorgesehen werden, für die im Siedlungsbereich keine geeigneten Flächen verfügbar sind.
Freiraum ist nach dem Regionalen Raumordnungsprogramm grundsätzlich zu erhalten. Gerade die regionalbedeutsamen Räume im Ordnungsraum Osnabrück sollen weder durch bauliche Anlagen noch solche andere raumprägende Nutzungen in ihrer sozialen und ökologischen Funktion übereinträchtigt werden. Insbesondere sollen nach dem RROP zwischen den Räumen, die für die Siedlungsentwicklung vorgesehen sind, ausreichende Freiräume erhalten werden.
2.
Die vorgesehene Planung steht den Zielen der Raumordnung entgegen, weswegen die Gemeinde Bissendorf den entsprechenden Antrag auf Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens beim Landkreis Osnabrück gestellt hat. Der Landkreis Osnabrück hat seine eigene untere Naturschutz- und Waldbehörde sowie die untere Wasserbehörde als fachlich berührte Stelle berücksichtigt, weiterhin die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrücker Land mbH sowie die Landwirtschaftskammer Weser-Ems. Hingegen wurden Stellungnahmen der unteren Landesplanungsbehörde sowie der unteren Naturschutzbehörde der Stadt Osnabrück lediglich als Äußerungen einer betroffenen Gemeinde gewertet.
Trotz einiger Bedenken haben die als fachlich berührten Stellen ihr Einvernehmen mit der Abweichung von den Zielen der Raumplanung erteilt. Die Stadt Osnabrück hingegen ist der Ansicht, nicht lediglich betroffene Gemeinde, sondern fachlich berührte Stelle zu sein. Sie hat ihr Einvernehmen verweigert. Gleichwohl hat der Landkreis Osnabrück die Stadt Osnabrück lediglich als betroffene Gemeinde angesehen und das Benehmen für hergestellt gehalten.
3.
Gegen den Bescheid hatte die Stadt Osnabrück Klage erhoben. Das Verfahren ist aber inzwischen erledigt, weil es zu einer Einigung der Stadt Osnabrück mit dem Landkreis Osnabrück unter Beteiligung der Gemeinde Bissendorf gekommen ist. Die vorgesehene Gewerbefläche wurde ausweislich der Presseberichterstattung im Vergleichswege auf 20 ha reduziert.
II.
Gleichwohl ist meine Mandantschaft der Auffassung, dass der Bescheid in rechtlicher Hinsicht sowohl formell als auch materiell fehlerhaft ist. Es wird daher die fachaufsichtliche Überprüfung und Beanstandung des Bescheides begehrt.
1.
Bereits in formeller Hinsicht ist die Begründung des Bescheides nicht überzeugend. Die Auswahl und Abgrenzung der fachlich berührten Stellen gegenüber der betroffenen Gemeinde ist nicht nachvollziehbar. So führt der Landkreis Osnabrück in seinem Bescheid selbst aus, dass fachlich berührte Stellen solche sind, deren Aufgabenbereich fachlich und räumlich von der Zielabweichung beeinflusst wird. In Betracht kämen nach den Ausführungen des Landkreises Osnabrück unter Bezugnahme auf die Verwaltungsvorschriften zum NROG "nur öffentliche Stellen die betroffenen Fachbehörden oder Kammern".
Der Landkreis Osnabrück hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrücker Land mbH (WIGOS) als fachlich berührte Stelle betrachtet. Es handelt sich hierbei um eine juristische Person des Privatrechts. Ersichtlich ist es weder eine Fachbehörde noch eine Kammer. Es mag sein, dass es sich dabei um eine Gesellschaft handelt, die ganz oder zum überwiegenden Teil in öffentlicher Hand liegt, gleichwohl handelt es sich um eine juristische Person des Privatrechts. Insofern bestehen erhebliche Zweifel, ob es sich hierbei um eine fachlich berührte Stelle im Sinne des § 11 NROG handeln kann.
Dies gilt jedenfalls, wenn der Landkreis Osnabrück die Definition der fachlich berührten Stelle so eng auslegen will, wie er es in dem hier gegenständlichen Bescheid getan hat. Nach der vom Landkreis Osnabrück angelegten Definition muss es sich bei einer fachlich berührten Stelle offenbar um eine solche handeln, die vier Tatbestandsmerkmale erfüllt: Ihr funktionaler Kreis muss (1.) fachlich und (2.) räumlich von der Zielsetzung beeinflusst werden, sie muss (3.) deshalb ein begründetes Interesse an der Entscheidung haben und weiterhin muss es sich (4.) um eine öffentliche Stelle handeln. Es ist nicht ersichtlich, dass eines dieser Tatbestandsmerkmale nachrangig sein sollte.
Insofern ist der hier gegenständliche Bescheid nicht in sich stimmig und bereits deswegen formell rechtsfehlerhaft. Denn wenn einerseits die WIGOS als fachlich berührte Stelle, die aber erkennbar keine öffentliche Stelle ist, betrachtet wurde, so ist es nicht schlüssig, die Stadt Osnabrück nicht als fachlich berührte Stelle anzusehen, wenn bei dieser doch lediglich das Tatbestandsmerkmal "räumliche Betroffenheit" zweifelhaft erscheinen mag.
Darüber hinaus ist es rechtlich fehlerhaft, davon auszugehen, dass sich der räumliche Wirkungskreis der Naturschutzbehörde der Stadt Osnabrück ausschließlich auf die Stadtgrenzen beschränkt. Angesichts der überragenden Bedeutung des näheren Umkreises für die natürlichen Lebensräume innerhalb des Stadtgebiets ist der Wirkungskreis der Naturschutzbehörde auch räumlich von einer Zielsetzung betroffen, welche in derart markanter Weise in die Zielsetzung der Raumordnung hineingreift.
2.
Im Übrigen ist im Rahmen der Abweichung vom Raumordnungsprogramm die potenziellen Auswirkungen der Abweichung von der Zielsetzung auf zahlreiche geschützte Arten nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden. Hierin liegt auch ein Versäumnis der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Osnabrück. Auch in dieser Hinsicht ist der Zielabweichungsbescheid überaus zweifelhaft. Betroffen sind hier insbesondere verschiedene Vogel- und Fledermausarten.
Durch den Abweichungsbescheid werden auch die Ziele der Raumplanung derart in ihren Grundzügen betroffen, so dass nicht ein Abweichungsverfahren, sondern ein vollständiges Raumordnungsverfahren erforderlich gewesen wäre. Die Vorranggebiete für Freiraumflächen sind insbesondere erforderlich, um das Ballungsgebiet Osnabrück hinreichend mit Kaltluft zu versorgen. Die Beeinträchtigung dieser Funktion durch die vorgesehene Planung eines Gewerbegebietes ist seitens des Landkreises Osnabrück nicht hinreichend berücksichtigt worden. Durch eine entsprechende Ansiedelung tritt neben der zwangsläufigen Bodenversiegelung auch eine erhebliche Veränderung des Luftströmungen ein.
3.
Mit der durch den Landkreis Osnabrück und die Gemeinde Bissendorf vorgetragenen Argumentation ist es grundsätzlich möglich, in vielen kleinen Schritten allmählich die für die Aufrechterhaltung der Grundzüge der Raumplanung erforderlichen Freiraumflächen zu zersetzen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass ein "kleines" Baugebiet nach Auffassung des Landkreises Osnabrück überhaupt in die Grundsätze der Raumplanung eingreift. Auf diese Weise ist es möglich, die schützenswerten und von der Raumplanung auch so eingestuften Freiflächen zu zerschneiden.
Dies geschieht hier ausschließlich aufgrund eines vermeintlichen Bedarfs an Gewerbeflächen in der Gemeinde Bissendorf. Für die entsprechenden Flächen gibt es noch nicht einmal konkrete Interessenten, so dass das Erfordernis einer Abweichung von den Zielen der Raumordnung gar nicht hinreichend dargelegt ist. Dies gilt insbesondere, als durch die oleg Osnabrücker Land-Entwicklungsgesellschaft mbH im Mai 2011 im Landkreis Osnabrück 557,30 ha zur Verfügung stehende Gewerbeflächen ausgewiesen hat. Inwiefern die nunmehr in der Gemeinde Bissendorf auf Kosten der Ziele der Raumplanung hier für die Entwicklung der gemeindlichen Wirtschaft nennenswerte Vorteile bringen soll, welche eine Abweichung von den Zielen der Raumplanung rechtfertigt, erschließt sich nicht und ist auch weder durch die Gemeinde noch durch den Landkreis Osnabrück bisher erläutert worden.
4.
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung der Gewerbeflächen ursprünglich mit der Ansiedelung der Fa. Koch International in dem vorgesehenen Gewerbegebiet verbunden worden ist. Dieses Unternehmen hat sich aber bereits für den Bau der neuen Zentrale auf Flächen im nördlichen Stadtgebiet der Stadt Osnabrück (Fürstenauer Weg) entschieden. Insofern können ganz wesentliche Ziele der gewerblichen Aufwertung der Gemeinde Bissendorf gar nicht mehr erreicht werden. Weiterhin ergibt sich hieraus eine sachliche Bindung der Antragstellung, die zu erheblichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der nunmehr getroffenen Entscheidung Anlass bietet.
5.
Die zwischenzeitlich im Klageverfahren der Stadt Osnabrück gegen den Landkreis Osnabrück gefundenen Einigung im Hinblick auf die Verringerung des Abweichungsgebietes durch die Beigeladene Gemeinde Bissendorf ändert an den hiesigen Bedenken an dem zur fachaufsichtlichen Überprüfung gestellten Bescheid nichts. Weiterhin wird dieser durch meine Mandantschaft als abwägungsfehlerhaft angesehen, weil die Grundzüge der Raumordnung nicht hinreichend berücksichtigt wurden.
Im Übrigen ist die Einigung zwischen der Stadt Osnabrück, dem Landkreis Osnabrück und der Gemeinde Bissendorf auch dahingehend zu sehen, dass der Stadt Osnabrück insbesondere an einem kooperativen Verhältnis zum Landkreis und den umliegenden Gemeinden gelegen ist. Insofern entfaltet die vergleichsweise Regelung zwar zunächst rechtliche Wirkung, enthält aber keine rechtlichen oder tatsächlichen Feststellungen im Hinblick auf die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Abweichungsbescheides.
III.
Es wird daher im Rahmen eines fachaufsichtlichen Verfahrens beantragt,
den Bescheid des Landkreises Osnabrück vom 10.03.2011 über die Zulässigkeit einer Abweichung von den Zielen der Raumplanung gem. § 11 NROG zugunsten der Gemeinde Bissendorf wegen der Ausweisung einer gewerblichen Baufläche im Rahmen der 29. Änderung des Flächennutzungsplans einer eingehenden fachaufsichtlichen Überprüfung zu unterziehen.
Ich bitte darum, gelegentlich Mitteilung über den Sachstand zu erteilen und insbesondere Abschriften der Ihrerseits eingeholten Stellungnahmen der Beteiligten auch hierher zuzuleiten. Von einer schriftlichen Mitteilung des Ergebnisses Ihrer Überprüfung gehe ich aus.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern auch telefonisch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
- Bahr -
Rechtsanwalt